Church building / Kirchengebäude in Thembalethu

... God has chosen the weak things of the world to confound the things which are mighty; And base things of the world, and things which are despised, has God chosen ... (1Cor 1:27.28) p>p>p>

Donnerstag, 8. Juli 2010

Das Verbrechen. Die Wende.

Hatte eine längere Schreibpause, da ich ziemlich beschäftigt war und keine Zeit zum Schreiben fand. 

George, 5 Tage vor dem Halbfinale Deutschland - Spanien

Während vielerorts die bevorstehenden WM-Halbfinals im Mittelpunkt standen, hatten am vergangenen Sonntag morgen die Attacken in meinem Umfeld einen weiteren Höhepunkt erreicht.

Es ist ja so, dass hier in den Townships und in den squatter camps ein sehr rauhes Klima herrscht. Kindesmissbrauch ist eines der Dinge, von denen ich weiß, dass sie alltäglich sind und nur selten zur Anzeige gebracht werden. Viele dieser Taten geschehen im familiären Umfeld und die Opfer wissen nicht, wohin mit ihrem Leid. 

Sonntag:
Als ich Alicia und 5 weitere Kinder, zwischen 6 und 11 Jahre alt, zum Gottesdienst abholen wollte, eröffnete sie mir unter ungewollter Entleerung der Blase, dass sie tags zuvor vergewaltigt worden sei. Der Täter hatte sich mit Kerze und Messer ihrer Schlafstatt genähert...

Jeanné mit einigen der Kinder nach dem Gottesdienst am Tatort

Das Mädchen Alicia ist 15 Jahre alt, raucht nicht und hatte noch nie einen Partner, was eine sehr große Ausnahme in diesem Umfeld ist.
Ich hatte ihr just zuvor gesagt, dass sie als einzige hier die Kraft hat, den Teufelskreis von Alkohol, Drogen, Gewalt und früher Mutterschaft zu durchbrechen, wenn sie nah bei Jesus bleibt. Und nun das.

Der Mann, dem sie die Tat zuschreibt, ist ein alt wirkender Mann mit dem Spitznamen "Smokey". Er wohnt zeitweilig im Haus und ist bereits aufgrund seiner gesamten äußeren Erscheinung bzw. seines Pflegezustandes eine Höchststrafe für jede Frau. Von anderen hörte ich, er hätte angekündigt, Alicia "ein Kind zu machen".

Ich kenne"Smokey" von der Müllkippe als freundlich-distanzierten Empfänger von Brot und Obst.
Erst vorletzten Sonntag half er mir, den Nissan aus dem Matsch heraus wieder flott zu bekommen, als ich die kleine Herde zum Gottesdienst fuhr.

Am Sonntag früh jedenfalls, dem Tag nach der Tat, saß er doch dreist vor dem Haus, als ich kam und Alicia mir erzählte, was geschehen war. Ich weiß nicht, ob er erwartete, dass ich seinem Leben auf der Stelle ein Ende bereite, oder er sich sicher fühlte?

Es ist kein Kampf gegen Fleisch und Blut und so nahm ich mich zusammen und würdigte seine Anwesenheit nicht.

Nachdem ich nach einem Gebet für Alicia die 5 kleinen Schäfchen zum Gottesdienst fuhr und der Obhut der lieben Damen von der "Kinderkirche" der Ekklesia-Gemeinde überlassen hatte, verbrachte ich den Beginn des Gottesdienstes nur sehr angeschlagen. Ich wusste nicht, wohin mit mir.

Vor zwei Monaten, am 8. Mai 2010, nach den Ereignissen auf der Müllkippe, schrieb ich:

"Auch über die Müllkippensituation mit den Gangstern dachte ich noch länger nach. War ja unberechenbar. Ich glaube, ich hätte mein Leben für Alicia und Sami gegeben, wenn es hätte sein müssen. Es musste nicht sein, aber das dazu passende Gefühl war und ist vorhanden. Ich verstehe jetzt wieder ein bisschen mehr, wie es ist, wenn es heißt, dass Jesus sich für uns hingegeben hat." 

 Da war das sehr tiefe Gefühl wieder: 

"Mein liebes Kindlein!!!"

Ich zweifle nicht mehr an der Güte und Liebe Gottes und ich habe gespürt, dass ich Jesu Tränen und nicht meine eigenen für das Mädchen weinte. Wer das nicht erlebt hat, kann es nicht verstehen, es ist keine emotionale Erschütterung, wir man es z.B. bei einem Trauerfall erlebt, es fühlt sich völlig anders an.

Jedes unsere Unglücke und die Tragödien des Lebens beweint Jesus selbst. Er weint um uns und mit uns. Auch in Getsehmane. Er weint um seine Kinder in dieser gefallenen Welt und leidet mit ihnen!

Ich habe, obwohl bewusst in der letzten Reihe, am Ausgang sitzend, viel Gebet in der Gemeinde empfangen, weil mein Verhalten nicht verborgen blieb. Mein Friede kam zurück und ich wusste, dass Jesus sie heilen wird und das mehrfach erstattet, was Satan ihr genommen hat.

Ich habe einige Lebensberichte von Frauen gelesen oder angehört, die Extremes erlebten und durch die Kraft des Heiligen Geistes geheilt wurden. Die KZ-Inhaftierte Corrie ten Boom ist ein bekanntes Beispiel. Hier ein beeindruckender Bericht von Janice McBride in englisch. Die Dame überlebte 3 Abtreibungsversuche, wurde ihre ganze Jugend über von der Mutter krankenhausreif geschlagen, von verschiedenen Männern permanent vergewaltigt und emotional misshandelt. Sie bereist heute die Welt und erzählt anderen Frauen von der überwindenden Liebe Gottes.

Nach dem Gottesdienst am Sonntag morgen, fuhr ich mit Jeanné und ihrem Gatten Hein zu Alicia, beteten für sie und riefen die Polizei.  Die Tante und zugleich "Pflege"-mutter Vicky war ziemlich berauscht und nicht zu gebrauchen. Sie sagte, Smokey sei nicht mehr da und doch: Der mutmaßliche Täter wurde wenige Minuten später im Haus festgenommen.

 Smokeys Abtransport vom Tatort


 Hein von der Ekklesia-Gemeinde zum Gebet am Tatort


Anschließend begleiteten Jeanné und ich das Mädchen zur Vernehmung bei der Polizei, zur Opferbetreuung, ins Krankenhaus zur medizinischen Beweisuntersuchung sowie zur medikamentösen AIDS-Vorsorge. Ein ganztägiges Mammutprogramm für das Mädchen, das zwischen Tränen, gefühlter Entwürdigung und Einschlafen vor Übermüdung hin- und hergependelt ist.

Im George Hospital


Es kostete einiges an Zureden, dass sie sich das überhaupt traute, denn sie hatte verständlicherweise große Angst vor diesem Schritt. Ich zog zum ersten und einzigen Mal meine Trumpfkarte und erinnerte sie daran, dass Jesus ihr selbst sagte, sie könne mir vertrauen und solle "das machen, was ich sage". Also bat ich sie, mir zu vertrauen und den Schritt zu wagen. Auch dass ich den ganzen Weg mit ihr gehen würde.
Immerhin würde der Täter sie nie mehr in Ruhe lassen und zudem seien noch ein paar ebenso gefährdete kleine Mädchen im Haus.

Wir waren dann an diesem Mammutsonntag am Abend wieder mal im Kentucky, denn keiner hatte was an diesem Tag gegessen. Die junge Opferbetreuerin Lucrisia, selbst Missbrauchsopfer und Christin, gleich mit.

Die staatliche Beratungsstelle von Lucrisia hat die Parole "Aus Opfern Überlebende machen". Das klingt sympathisch, reicht aber, wie ich finde, nicht für die Opfer. Sich an einem seidenen Faden durchs Leben zu hangeln und irgendwie zu "überleben" ist nicht Gottes Plan für uns. Jesus verspricht uns in Joh 10,10 "Leben im Überfluss - die Fülle" und sagt in Röm 8, dass wir durch ihn weit überwinden. Im englischen: "We are more than conquerors". Wir sind mehr, als Überwinder, Eroberer, Bezwinger!". Ich finde, Gott gibt uns generell geniale Verheißungen - und Er sagt uns zu, dass wir durch ihn unserem Schmerz aus der Vergangenheit überwinden.

"Aus Opfern Überlebende machen"

In alledem hat sich Jeanné am Sonntag wie eine Mutter gekümmert und Alicia mit nach Hause zur Notübernachtung genommen, wo sie ihr erstes Schaum-Bad im Leben nahm. Jeanné hat sie eigenhändig gebadet und sie einer Pediküre / Maniküre unterzogen.
Das, was die Frau, die ansonsten arg im Stress ist, macht, ist gelebte Jesusnachfolge. Wenn das Leid am Größten ist, zeigt sich wohl auch die Liebe am stärksten. Ich selbst hatte keine Möglichkeit, eine Unterkunft für das Mädchen zu stellen und so war ich Jeanné wirklich unendlich dankbar, dass sie in Alicia ihren "Nächsten" gesehen hat..

"Wer ist mein Nächster", fragte der Schriftgelehrte in Lukas 10. Ich würde ihm antworten:

"Der deinen Weg kreuzt. Den du sehen, anfassen, spüren kannst. Der, dessen Bedrückung und Schmerz du wahrnimmst. Den du leiden siehst. Der verletzlich und schwach ist - Der, der nirgendwo einen Helfer sieht. Außer in dir!"

"Sparky's" Kripoabteilung in George-Blanco

Während des stundenlangen Krankenhausaufenthaltes am Sonntag, als die Opferbetreuerin Lucrisia und der Kriminalbeamte "Sparky" Sparks von "K 11", der einige Beweisstücke im Haus sicherstellen wollte, zum Tatort fuhren, baten sie mich mitzukommen und so begleitete ich sie und lies mir gleich die spärlichen Habseligkeiten Alicias aushändigen.

Was mich betrifft, so bin ich entschlossen, das mir Mögliche zu tun, um Alicia aus ihrem destruktiven Umfeld herauszubringen. Aber das liegt auch an ihr, sie muss es wollen.
Sie möchte eigentlich gerne Lehrerin werden. Das erscheint aber illusorisch angesichts von nur 3 Jahren Schulausbildung und dem Überschreiten der Altersgrenze für einen weiteren Schulbesuch.

Es wird aber der Tag kommen, da wird sie Menschen nicht über Biologie und Geschichte, sondern über die Dinge Gottes lehren. Allemal wünsche ich ihr das.

Montag:
Am Montag früh hatte ich Alicia um 7.15 Uhr für einen weiteren Krankenhausbesuch bei Jeanné abgeholt. Anschließend ging es mit Detective Inspector "Sparky" Sparks zur Staatsanwaltschaft zur Anhörung. Danach zu Sparks' Büro. Schließlich noch zur fotografischen Beweissicherung an den Tatort. Oh, Jammer! Was für eine Prozedur für das Mädchen. Rechtlich erforderlich, aber sehr belastend für sie, die von Amt zu Amt und von Frage zu Frage geschubst wird. Das gab wieder viele Tränen bei ihr.

 Sparky und Alicia in seinem Büro

 Aushang an Sparkys Bürowand:

Dann ging es zu verschiedenen Stellen, um eine angemessene Bleibe für sie zu finden. In einem Land, das übervoll von AIDS-Waisen und Kindern aus zerrütteten Elternhäusern ist, gibt es nur wenige freie Plätze.

Noch schwerer ist es, ein christliches Umfeld zu finden, wie man es sich für seine eigene Tochter wünschte. Genau das ist aber mein Anspruch. Ich kenne unzählige Townshipkinder in Not, aber dieses Mädchen habe ich in besonderer Weise auf dem Herzen. Sie kommt nicht in irgendein Heim!

Dass ich so denke, ist übrigens erstaunlich, denn Alicia ist introvertiert. Redet kaum und lacht fast nie. Nicht das typische Sonnenscheinchen, das jedermann gleich vom Fleck weg adoptieren möchte.

Am Montag besuchte ich Papa Oli, der Alicia sehr lieb von Jesus erzählte und mit ihr betete.
Er stellte auch einige Kontakte für mich her, so dass ich daraufhin mit Organisationen und Pastoren telefonieren konnte.

 Papa Oli Raper, 87, in seinem Studierzimmer lässt Kontakte spielen


War bei Options -keine Plätze- und schließlich bei ACVV in George, ebenfalls einem christlichen Hilfswerk.

"ACVV-Sentrum" in George

Von dort gab es die Zusage einer vorläufigen Möglichkeit der Unterbringung bei einer Familie Meyer. Dort zog sie also ein, nachdem Alicia und ich in der Stadt noch einige Kleider usw. für sie gekauft hatten.

 Nell, die Sozialarbeiterin von ACVV rechts im Bild
sowie Frau Meyer, die Mutter des Hauses

Ich muss oft völlig unmotiviert für das Mädchen weinen und beten. Manchmal heißt es in der Bibel. "Und die Kinder Israels schrieen zum Herrn". Nun kann ich aus erster Hand sagen, wie das ist, wenn man "zum Herrn schreit". Das ist wörtlich zu nehmen und nicht bildlich oder lyrisch zu verstehen!
Ich weiß auch warum: weil Jesus höchstselbst mir das Kind aufs Herz gegeben hat. Ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich bin kein guter Kerl, ER ist es! Und das kann ich mir nur so erklären, dass er etwas mit ihr vorhat. Aber genau weiß ich es auch nicht, wie es zusammenhängt.

Dienstag:
Am Dienstag besuchte ich sie mittags und traf auch auf den Sohn des Hauses, einen etwa 35 Jahre alten Pastor einer kleinen Pfingstgemeinde in Pacaltsdorp, der gerade aus Kapstadt kam, wo er in dem Riesentownship "Mitchells Plain", 1-2 Millionen Bewohner, die gute Nachricht predigte.

Alicia hatte gut geschlafen und fühlte sich wohl im Haus bei Familie Meyer. Sie bat mich um eine neue Hose, da ihre alte Trainingshose, ihre einziges langes Beinkleid, in Fetzen hing. Also schlug ich vor, sie zum Hosenkauf mit in die Stadt zu nehmen. Ich hatte meine "Autorität", die mir von den Behörden, mit denen ich zu tun hatte, zugestanden wurde, bereits offiziell an die Mutter des Hauses abgegeben und diese erbat, dass das Mädchen zuhause bleibt und isst. Das war völlig in Ordnung so. Ich nahm das widerspruchslos an und bestärkte die Mama in beider Beisein. Aber Alicia hat sich an mich geklammert und die Tränen liefen. Oje, welch Herzeleid. Ich weiß nicht, für wen diese Situationen bewegender sind. Für sie oder mich. Aber die Hausmutter hat recht und Alicia wird lernen, was sie mangels Erziehung nie lernen durfte.

Ehepaar Meyer vor ihrem Haus in Pacaltsdorp


Am Dienstag Abend im Revival (Erweckungs) -Gottesdienst, zu dem ich auch die Hausmutter, Frau Meyer, mitnahm, wurde Alicia stark vom Heiligen Geist berührt. Sie erzählte mir später, dass ihr ganzes Inneres ganz warm wurde, als sie auf dem Boden lag.

Mittwoch:
Am Mittwoch Morgen dann, in einem weiteren Revival-Gottesdienst, klatschte sie ein paar Mal enthusiastisch, während der Predigt in afrikaans über das Thema "Siegreiches Christenleben" oder spang auf! Wow, wow!
Als Gebet für innere Heilung angeboten wurde, fragte ich sie, ob sie nach vorne gehen möchte.
Sie antwortete, dass sie es nicht braucht.

Während wir anschließend in der Stadt waren, - unter anderem bei meinem Freund Isaak in der Moslemgaststätte essen - und Zeit gemeinsam verbrachten, lachte sie ein paar mal, Pfiff, und machte hie und da einen Hopser beim Gehen. Das hatte ich noch nie bei ihr gesehen.

All dieses Verhalten ist ungewöhnlich für sie.

Oft bestehen negative Seelenbindungen im geistlichen Raum zwischen Opfern und Tätern oder zu den Menschen, die einen sehr schlecht behandeln oder behandelt haben. Das ist ein wesentlicher Grund, warum es Frauen, die misshandelt werden, zur Verwunderung aller anderen, immer wieder zurück zieht, an den Ort des Schreckens.

Alicia habe ich gefragt, sie hat kein Heimweh!

 Alicia in einem Kleidergeschäft

Ich hatte mich mit ihr auch über meine Rolle in ihrem Leben unterhalten. Jesus hat sie mir aufs Herz gegeben, vielleicht, um ihr durch mich ein Teil der geraubten Kindheit zurückzugeben, nachdem sie verstoßen war, auf der Müllkippe lebte, oder sonst in schrecklichen Familienverhältnissen hauste. Jesus ist der Autor der Liebe, die sie jetzt gerade durch unterschiedliche Menschen erfährt. Er ist auch der Autor ihrer inneren Heilung. Ich meine, Alicia wird tatsächlich nicht jahrelang durch ungezählte Seelsorgesitzungen gehen müssen.

Am Freitag möchte sie mit mir zur Müllkippe zum Essen ausgeben sowie am Freitag Abend zum Jugendgottesdienst in die Ekklesia-Gemeinde. Sie erinnerte mich außerdem daran, die Kleinen für den Kindergottesdienst am Sonntag nicht zu vergessen. Oh, wie schön.

Was mich betrifft, so bin ich weiterhin begeistert von Jesus. Die meistunterschätzte Person im Universum.

Von Nichtchristen und Christen.

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