Da strahlt mein Freund Sami, auch wenn ich mich immer wieder frage, warum man für ein bisschen Erlös aus dem Draht, Berge von Altreifen verbrennen muss.
Nach dem Essen sprach ich auf der Müllkippe mit Alicia, ob sie wieder in die Schule gehen möchte. Sie ist 15 Jahre alt und nach der 6. Klasse einfach nicht mehr hingegangen, aber sie möchte wieder. Es fehlen nun 3 Jahre. Welche Schule?, fragte ich, damit ich weiß, mit welchem Rektor ich reden muss "In die DU sagst, dass ich gehen soll", war die überraschende Antwort. "Nur nicht in meine Alte, da ist zu viel Gewalt". Nun kann ich zwar sagen, ich kenn mich doch gar nicht mit dem Schulsystem aus, aber das trifft für sie wohl erst recht zu. Mit der Verwandschaft, in Bildungsfragen ebenfalls unkundig, ist genausowenig zu rechnen. Am Montag früh hole ich Alicia ab und wir fahren einfach mal zur nächstgelegenen Einrichtung, beten und sehen, was geht.
Am Donnerstag bin ich dann mit ihrer Mutter Bettie verabredet, mit der ich wegen der Ermittlung von Alicias Geburtsdatum die Klinik aufsuchen will.
Außerdem habe ich Alicia und Sami den Vorschlag gemacht, dass wir uns mit Mehreren zum zwanglosen Beten, Hören auf Gottes Stimme und Reden über Jesus treffen. Einstimmig angenommen. Morgen geht es nach dem Gottesdienst auf einer Wiese los.
Als wir so stehen und reden, plötzlich Motorengeheul. Staub wirbelt. Eine Meute von 6 jungen Coloured-Männern mit hasserfüllten Gesichtern, Knüppeln und z.T. langstieligen, hackenähnlichen Gartengeräten, springt 5 Meter vor uns von einem Pick-Up, der herangerast war und rennt zu einem anderen Pickup, der nur mit einem Fahrer besetzt ist. Einer der Angreifer wirft sich auf dieses Auto und versucht durch das offene Beifahrerfenster in den Innenraum zu gelangen. Der Angegriffene hingegen entweicht, indem er Gas gibt. Er fährt einen der Männer an, der zu Boden geht und erntet mehrere halbvolle Schnapsflaschen, die auf sein Auto geworfen werden. Dann laufen die Verfolger wie losgelassene Kettenhunde wild umher, krallen sich noch mehr Holzknüppel und Stangen von der Müllkippe und verfolgen dann in wilder Fahrt den Flüchtigen aus der Müllkippe heraus und weg von meinen Augen. Puuh. Das alles direkt vor uns und knapp am Nissan vorbei.
Natürlich habe ich keine Bilder, aber das war die Hardcorevariante osteuropäischer Hooligans. Die Jungs haben keinen Spaß verstanden und wenn sie den Verfolgten irgendwann gestellt haben sollten, gute Nacht Gretchen.
Die Szene war so intensiv, da hätte kein Hollywoodregisseur einen zweiten Take benötigt. Das war atemberaubend dramatisch.
Den Verfolgten, Kevin, kenne ich vom Sehen. Ein unnahbarer, ungemütlicher Machotyp, ca. 35, mit Hormonüberschuss, der meist mit freiem Oberkörper extrem entschlossen herumläuft und seine Muskeln präsentiert. Er ist derjenige, der den Leuten auf der Müllkippe ihr gesammeltes Metall abkauft und offensichtlich in der Schrottlerszene was zu sagen hat.
Ich habe gelernt, dass die anderen von der "Gegenseite" waren. Ein Schrottlerkrieg. Mehr weiß ich nicht. Habe für Kevin gebetet. Das wäre ein richtiger Kracher, wenn der zu Jesus findet.
Das Wichtigste kommt aber jetzt erst noch:
Letzte Woche hatte ich Smavas älteren Sohn Lwazi, er ist 30, wieder mal zum Jugendgottesdienst eingeladen, weil das ein Tag sein sollte, an dem Jugendliche erzählen, was Jesus in ihrem Leben getan hat. Da ich ein paar Lebensläufe kannte, wollte ich gerne, dass Lwazi live erlebt, dass andere auch von massiven Süchten befreit wurden und es auch für ihn Rettung gibt.
So wie bei der Alkohol- und Drogensüchtigen Nachtclub-Tänzerin Lyn Breshaw, deren Zeugnis ich Lwazi auch mal unlängst zeigte. Wichtig, dass sie nach ihrer Bekehrung noch weiter einige Wochen lang in den Nachtclub ging, bis es ihr der Heilige Geist selbst -nicht Menschen- aufzeigte, einen anderen Weg zu gehen.
Bei unserem Ausflug vergangenen Samstag ans Meer hatte Lwazi mir freudig zugesagt, am gestrigen Freitag in den Jugendgottesdient mitzukommen. Als ich also gestern um 17.00 Uhr nach Hause kam, sprach ich ihn zwanglos darauf an und er sagte erneut mit freundlichem Gesicht zu.
Doch plötzlich war er um 17.30 Uhr verschwunden und um Achtzehn.30 Uhr sollte Abfahrt sein. Irgendwie hatte ich das geahnt, das Verhaltensmuster kenne ich. Doch ich dachte, dass es heute gilt. Wir beten viel u.a. für diese Familie und es ist ein geistliches Ringen um ihn und seinen Bruder. Er will und kann doch nicht. Er hatte schon öfters sein Kommen zugesagt und dann betrank er sich statt dessen. Kurz nach Halb 7 fuhr ich zu seiner Nathan-tavern. Er hatte bereits Brandy getrunken, war aber noch nüchtern. Ich bettelte regelrecht, dass er heute mitkommt. Es fehlte nur der Kniefall. Ich sagte, dass ich ihn nie mehr fragen würde, aber heute wäre der Tag. Er hatte allerlei freundliche Ausflüchte, z.B. seinen Schnapsgeruch und versprach, kommenden Sonntag mitzukommen. Wie immer: Das nächste Mal, das nächste Mal!
Ich hatte ihn im Arm und ihn tatsächlich angefleht. Heute! Leute drumrum. Mir wars egal. Ich wusste, dass wenn er mitkommen würde, dass Jesus ihn berühren würde. Nun kam ein recht grimmig dreinschauender Mann, der sich zu uns gesellte und vielleicht vermutete, ich suche Stunk. Er fragte bei Lwazi nach was anliege und als Lwazi den Hintergrund erläuterte, sagte Alfred, so hieß der Mann, zu meiner Verblüffung: "Geh' mit ihm. Er bringt dich an einen guten Ort!".
Ich bedankte mich herzlich bei Alfred für diese Aussage, hatte ihn auch eingeladen und etwas vom Herzen Gottes erzählt - was, weiß ich nicht mehr genau. Er will ein andermal mitkommen. Ich versprach Lwazi, ihn nach den gut 2 Stunden Gottesdienst wieder in die tavern zu fahren. Ich hätte ihm wohl alles versprochen. Es galt heute. Siehe, jetzt ist die angenehme Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heils! -2. Kor. 6,2b-
Lwazi und ich rangen noch ein paar Minuten, er trank noch etwas Brandy und dann fuhren wir schließlich los!
Nachdem der Gottesdienst begonnen hatte, kam eine zerlumpte, angetrunkene Coloured-Frau, ca. 50, herein. Die Türen der Gemeinde stehen immer einladend weit zur Straße hin offen. So muss es sein! Kommt ALLE, die ihr mühselig und beladen seid! Mt 11,achtundzwanzig.
Ich habe diese Frau, die ganz hinten am Eingang stand, mit Blicken begrüßt und sie nach vorne, wo ich mich aufhielt, einladend herbeigewunken. Sie kam tatsächlich! Ich habe sie wortlos in den Arm genommen und sie hat sich regelrecht an mich geklammert. So standen wir minutenlang und ich habe für sie gebetet. Unglaublich schön. Später kam noch der passende Mann dazu und die beiden tanzten in angetrunkenem Zustand beim Lobpreis vor dem Rest der Gottesdienstbesucher. Keinen gemeindlichen Vertreter der "Abteilung Respekt&Würde" hat`s gestört. Wie sagte Oli vom Christlichen Zentrum Wiesbaden vor 2 Jahren mal auf dem Encounterwochenende:
Die Frucht des Heiligen Geistes äußert sich vielfach. Durch Liebe, Friede, Freude und anderes mehr. "Würde" gehört nicht dazu. Das ist keine Frucht des Heiligen Geistes". Stimmt haargenau, lieber Oli. Danke, setzen! Eins mit Sternchen!
Viele Kirchen müssen, glaube ich lernen, Menschen da abzuholen, wo sie im Leben stehen und im übrigen dem Heiligen Geist Raum geben, dass Er an ihren Herzen wirken kann. Ein Predigtzitat von Oli Rapers Sohn Paul fällt mir in diesem Zusammenhang noch ein:
Gott ruft uns auf, die Menschen von ganzem Herzen zu lieben. Der Rest ist Gottes Sache!. Noch ein Einserkandidat!
Was sind mir die Leute hier schon ans Herz gewachsen. Unglaublich. Wenn ich nachdenke, wieviel Arroganz in meinem Leben war und wie sehr ich jetzt diese einfachen Menschen lieb' hab. Das kriegt man ohne Jesus nicht hin. Ein liebenswertes Mädchen mit Helfersyndrom vielleicht, aber keiner wie ich, mit diesem Charakter. Auch über die Müllkippensituation mit den Gangstern dachte ich noch länger nach. War ja unberechenbar. Ich glaube, ich hätte mein Leben für Alicia und Sami gegeben, wenn es hätte sein müssen. Es musste nicht sein, aber das dazu passende Gefühl war und ist vorhanden. Ich verstehe jetzt wieder ein bisschen mehr, wie es ist, wenn es heißt, dass Jesus sich für uns hingegeben hat.
Ich habe Momente, so kann ich sagen, da bedeute ich mir nichts und Christus bedeutet mir bedingungslos alles. Und so bin ich also zuweilen in einem Zustand angelangt, wie ihn Paulus in Phil 3,Acht beschreibt:
"ja, wahrlich, ich achte alles für Schaden gegenüber der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe; und ich achte es für Dreck, damit ich Christus gewinne".
Wenn ich mich auch wiederhole, aber nichts kommt Ihm annähernd gleich.
Und Er hat auch heute wieder obsiegt! Im Gottesdienst habe ich fast ohne Unterlass für Lwazi gebetet -kamen mir doch prompt wieder die Tränen für den Mann- und zum ersten Mal seit ich da bin, gab es einen Aufruf im Jugendgottesdienst, sein Leben Jesus zu geben. Ich ging mit Lwazi nach vorne und wir haben gebetet. Der Jugendpastor, der Lwazi noch nie zuvor gesehen hatte, brach die Ketten seiner Sucht im Namen Jesu und sprach Freiheit über sein Leben aus. Keiner außer mir wusste im natürlichen Bereich von der Abhängigkeit Lwazis. Das "Lebensübergabegebet" war sehr passend für sein Leben und ich weiß, dass Lwazi es vom Herzen nachgesprochen hat. Er sehnte sich nach der Freiheit, hatte heute Abend diesen Moment der Willensfreiheit und hat ihn genutzt. Halleluja! Ich habe Lwazi sehr gelobt und ihm gesagt, wie stolz ich auf ihn bin, den Jesus nachzufolgen ist nichts für Feiglinge.
Dass es im Gottesdienst die körperliche Heilung eines jungen Mannes gab, der danach in Tränen ausbrach und aus Dankbarkeit auf die Knie fiel, ging in meiner Freude über Lwazis neues Leben beinahe unter.
Ein schönes Lied, das heute sehr lange gespielt und mir während des Blogeintrages zum Ohrwurm wurde, ist das Folgende von Misty Edwards:
Lwazi ist ausgesprochen schweigsam, doch heute hat er auf dem Rückweg einiges erzählt. Dass der Gottesdienst schön war; wo er arbeitet und anderes mehr. Als ich ihm anbot, ihn, wie versprochen zur tavern zu fahren, lehnte er ab und wollte lieber nach Hause. Dabei war es erst 21.15 Uhr. Sonst wird es gerne 3.00 Uhr früh, bis er heimkommt. "I have nothing to do there, now". Schau, schau. Er hatte ein freudiges Gesicht, heute Abend!
Selbst wenn Lwazi wieder in seine Spelunke gehen sollte. Jesus hat einen Weg mit ihm angefangen und er wird Lwazi verändern.
Zuhause angekommen, dachte ich an den zweiten Sohn, Trevor, das aktuelle Sorgenkind Nummer 1. Obwohl bestens ausgebildet, sind krasse Sachen in seinem Leben, die ihn zerstören. Gnadenloser Hass auf alles und jeden, ist nur eines davon. Allerdings tritt das offen nur so wie bei Dr. Jekill und Mr. Hyde zutage. Ein Mann mit zwei Gesichtern. Seine Mutter hat Angst vor ihm. Es gibt regelmäßig Schreie und Ausraster. Am Vormittag hatte ich ihn zu einem Internetcafé gebracht, damit er Bewerbungen schreiben kann und ihn mit Geld für die Heimfahrt und für Kopien ausgestattet.
Zuhause also kommen Lwazi und ich ins Haus und: Da liegt Trevor, 21, neben seiner Mutter im Kingsize-Bett und in der Ecke der kleine Wami. Ava liegt in ihrem eigenen Jugendbett und man ist lieb zueinander. Das gab es hier so noch nicht! Smava hat mich gleich freudig begrüßt "ich liege neben meinem Sohn im Bett!". Ich bin dazugetreten und habe gesagt, wie sehr ich mich freue, dass es einen Moment des Friedens in dieser Familie gibt. Wie wertvoll der Friede in Familie und Ehe ist. Shalom!
Trevor, der frühere Messdiener, fragte dann seine Mutter noch nach seiner katholischen Bibel. Das gab es angeblich auch ewig nicht. Vielleicht haben meine langen Gespräche mit ihm doch was bewirkt und der Heilige Geist hat zu ihm gesprochen. Muss ja, denn die Verheißung Gottes für die Jungs steht!
P.S.: Einen Zeugnisteil gab es heute in der Ekklesia-Family-Church von George wider Erwarten nicht.
Nachbemerkung:
Hier passiert so viel und mir fehlen vielfach die Worte, die Güte Gottes und Seine Nähe zu beschreiben. Eine Frage kommt mir manchmal, so wie heute, in den Sinn. Wie wird es sein, wenn Jesus mich hier wieder abberuft? Was mache ich in Deutschland? Bibel TV auf der Couch gucken geht vermutlich nicht mehr. Theologische Diskussionen über eine Doktrin fallen glaube ich auch flach. Welche Gestalt nimmt das Christenleben dann für mich an? Also ich bin gespannt, aber nichts ist mehr, wie es war!
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