Nüchternheit, wie wir es verstehen, lässt sich m.E. stark mit Selbstkontrolle, verstandesmäßigem Denken und Handeln, mit Intellektualität, mit 'geerdet sein' in Verbindung bringen.
Fraglich ist für mich allerdings, welche Nüchternheit gemeint ist, zu der uns die Bibel aufruft. Wie ich meine, sind Verstand/Fleisch/Intellekt zwangsläufig ein Gegensatz zu 'Glaube', wenn es um die Erfassung des Übernatürlichen geht. Immerhin ist Gott selbst übernatürlich und nicht in erster Linie 'geerdet'. Er entzieht sich wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten - ebenso wie die Herrschaften und Gewalten in den himmlischen Regionen.
Gott ist Geist. Er handelte nur durch Sein Wort übernatürlich in der Erschaffung und Erhaltung der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Jesus war weltgeschichtlich betrachtet, nur sehr kurz im Fleisch erschienen. Doch auch in dieser Zeit handelte Er durch Sein Wort übernatürlich.
Wir nun haben den gleichen Heiligen Geist, der an der Schöpfung beteiligt war -Gen 1,3- und der Jesus von den Toten auferweckte, in uns wohnen - Röm Acht,11-,
"Wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, ... ?" -1.Kor. 6,19-
Es sind ebenfalls diese Worte im Namen Jesu, die etwas in der spirituellen Welt bewegen. Es sind nicht "einfach nur Worte", sondern Worte des Lebens.
Nach unserem traditionellen christlichen Verständnis ist 'Nüchternheit' wohl das Gegenteil von 'Schwarmgeist' oder 'Emotionalität' in allen Variationen. Nun frage ich mich aber, ob nicht Nüchternheit im biblischen Sinn dann auch gerade bedeutet, die von Gott inspirierten, beschriebenen Wahrheiten sehr nüchtern im Glauben zur Kenntnis zu nehmen und durchaus ohne 'Gefühlsduselei' entsprechend zu handeln. Nicht 'lediglich' die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und einen "Dienst" für Gott und Menschen anzuerkennen, sondern das ganze geistliche Programm. Auch die Stellen in der Bibel, die wir uns verstandesmäßig nicht gut vorstellen können. Denn sonst gehen wir vielleicht genauso an die Sache heran, wie die Liberaltheologen, die das Kreuz und den Sühnetod Jesu wegerklären wollen. Alles vermeintlich Unbequeme, Herausfordernde muss weg.
Was machen wir nun mit den Stellen, in denen Jesus etwa ankündigt, dass wir "Seine und noch größere Werke tun" werden. -Joh.14,12-
Oder Mk 16,16f, wo es ja heißt:
Und er sprach zu ihnen: Geht hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
Diese Zeichen aber werden die begleiten, die gläubig geworden sind: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden, Schlangen werden sie aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nichts schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.
Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, aufgenommen in den Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber gingen hinaus und verkündigten überall; und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die begleitenden Zeichen. Amen.
Was meint Jesus, wenn nicht das, was Er sagt?
Missionsauftrag - Glauben - Taufe - Rettung - Evangeliumsverkündigung - Verdammnis - Himmelfahrt - Verherrlichung.
All das -schwarz Geschriebene- ist wahrscheinlich evangelikales Gemeingut und lässt sich teilweise sogar evaluieren. Etwa die Anzahl der verteilten Traktate, die gesprochenen Übergabegebete, die durchgeführten Taufen, die Anzahl der Gottesdienstbesucher usw.
Vieles können wir machen und brauchen Gott nicht dazu. Wir Menschen behalten die Kontrolle, können organisieren und schlechtestenfalls sogar manipulieren.
Mit dem rot Markierten, dem Übersinnlichen, ist es anders. Wirkt Gott, merkt man es. Wirkt Er nicht, merkt man es auch. Und wenn Er nicht wirkt, müssen die Passagen wegerklärt werden. Das habe ich noch nie gut verstanden, dass viele so genannte "Bibeltreue" sich schwertun, vieles von dem, was Gott verheißt und wirken will, anzuerkennen.
Na gut. Noch mal kurz zum Glauben an die Tatsachen, die man nicht sieht -Hebr 11,1-
Heute habe ich einige Stunden Thembalethu umwandert und die Menschen gesegnet, gebetet, Jesuslieder gesungen und Jesu Herrschaft über dieses Township und einzelne Personen proklamiert. - beinahe wie unsere Marienschwestern, schätze ich. Nur dass ich alleine war. Dabei habe ich schlichtweg Worte des Lebens gesprochen, die zwar kein Mensch gehört hat, von denen ich aber glaube, dass sie Wirkung haben.
Gleichfalls gestern, als ich bewusst einen angeblichen, berüchtigten Hinterhalt-Weg beging -so einer wie der beim Überfall in Lk 10,25f- :-), der in 30 Minuten durch Fluss und uneinsehbares Berg-und-Strauch-Gebiet die beiden Townships Thembalethu -Xhosa- und Nu Dawn Park -Coloured- verbindet. Habe das Territorium dieses Weges für Jesus mit Worten eingenommen. Dabei habe ich jeweils wenig gefühlt. Ich war sehr nüchtern und doch glaube ich, nein weiß ich, dass dies in der geistlichen Welt dadurch etwas bewegt hat.
Die Geschichte mit dem blonden Bub vom letzten Donnerstag mag auch als weiteres Beispiel herhalten. Sami und ich haben unsere Gebete nicht im Herzen gedacht, sondern sie teilweise gebietend hinausgesprochen. Wenn ich an das glaube, was in der Bibel steht, dann komme ich früher oder später, angesichts eines übernatürlichen Gottes - wieder ganz nüchtern betrachtet - an einen Punkt, an dem ich verstandesmäßig nicht mehr mitkann. Was meinen Erfahrungshorizont und alles was ich über Physik, Biologie usw. weiß, übersteigt und die bekannten naturwissenschaftlichen Grenzen sprengt. Und jetzt? Ich bin nämlich andererseits gewiss, dass die Naturwissenschaft nicht das letzte Wort hat. Ich stecke im Zwiespalt. Wem oder was glaube ich?
Für viele Menschen ist die Grenze schon bei irgendeinem Schöpfergott jenseits der Evolutionstheorie, für wieder andere spätestens bei Jungfrauengeburt, Kreuzestod, und der Wirkung des Blutes Jesu im geistlichen Raum erreicht.
Wir Christen haben wohl meistens auch eine solche Grenze. Wir glauben zunächst nur soweit, wie es unserer Persönlichkeit, unserer Prägung, unserer Kultur, unserer Bildung, unserem Kontrollanspruch fürs eigene Leben oder sonstiger individueller Faktoren entspricht. Entsprechend fällt dann die Wahl einer passenden christlichen Gemeinde aus, in der wir Gleichgesinnte treffen.
Die Bibel erhebt sich aber, wie ich meine, über all die beschriebenen persönlichen Faktoren und ruft den Menschen auf, Gottes Wort ganz nüchtern und sachlich an- und aufzunehmen. Was machen wir also mit den unzähligen Aussagen, die in eine bestimmte Richtung weisen, aber nicht in unser theologisches Lieblingsraster passen?
2.Kor 4,4 spricht davon, dass der Gott dieser Welt -Satan- den Menschen das Denken verdunkelt hat, damit sie das helle Licht des Evangeliums nicht sehen: die Botschaft von der Herrlichkeit des Christus, des Abbildes von Gott.
Ich dachte bei diesem Vers immer dabei nur an Errettungen, die Satan verhindert, indem er Menschen in alles mögliche Zeugs verwickelt. Dass sie alles glauben, was man/er ihnen vorsetzt. Mit einer Ausnahme. Der Wahrheit in Christus. Aber das helle Licht des Evangeliums ist mehr, als irgendwann in den Himmel zu kommen, wo schließlich alle Tränen abgewischt werden und der Löwe Stoh frisst. Das Evangelium ist die frohe Botschaft, dass durch das Werk Christi das Reich Gottes hier auf Erden zum An-Greifen nahe ist -Markus 1,15-.
Der geistliche Feind torpediert und verblendet keineswegs nur die Nicht-Jesus-Gläubigen, so dass sie das Evangelium nicht erkennen können, sondern auch uns Gläubige. Er will verhindern, dass wir uns unserer geistlichen Stärke und Autorität in Christus bewusst werden und entsprechend agieren. Er redet uns ein, dass es keine Taufe im Heiligen Geist gäbe, dass das Sprachengebet "von unten" oder nutzloses, selbstgemachtes Geplapper sei. Dass prophetisches Reden aufgehört habe. Dass alle Dämonen in Afrika und Südamerika, aber natürlich nicht im aufgeklärten Westeuropa anzutreffen sind. Dass Jesus früher geheilt hat, heute aber nicht mehr. Wenn doch, dann jedenfalls nicht durch die Gläubigen. Wenn doch durch Gläubige, dann nur durch 'Super-Heilige'. usw.usw.
Stattdessen beschäftigt er uns, so dass wir uns vielfach um uns selbst und unsere Gemeinden drehen. Seelsorge inbegriffen. Er redet vielen von uns mit Erfolg die Kleinheit unseres Menschseins ein "Was, du? Schau dich und dein Leben doch mal an! Was will denn Gott mit dir?". Das ist ein Teil seiner listigen Kunstgriffe, denen wir zu widerstehen aufgerufen sind. -Eph 6,11-
Es wäre schade, wenn wir ihm mehr Glauben schenkten, als dem Wort Gottes.
Gläubige werden in 2 Tim 2,26 gemahnt, dass "sie wieder nüchtern werden aus dem Fallstrick des Teufels heraus, von dem sie lebendig gefangen worden sind für seinen Willen".
Wer nüchtern wird, wacht auf!
In diesem Sinne. :-)
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