Church building / Kirchengebäude in Thembalethu

... God has chosen the weak things of the world to confound the things which are mighty; And base things of the world, and things which are despised, has God chosen ... (1Cor 1:27.28) p>p>p>

Samstag, 20. März 2010

Begegnungen. Der Löwe und die Antilopen. uYesu.

Als ich nebenan bei Omdi vor dem Haus saß, sah ich einige aus schwarzen Mülltüten selbst gebastelte Flugdrachen am Himmel flattern. Und zwar in erstaunlicher Höhe. Als Kind hatte ich beim Spielwaren-Seibel in einem Anflug von Größenwahn eine Rolle mit 200 Meter Drachenschnur zu meinem Plastikfolien-Bussard-Drachen gekauft. Doch so sehr ich auch gerannt bin, die Flughöhe der Mülltüten habe ich nicht annähernd erreicht.


Nachdem ich bei Nachbar Omdi die drei Flugdrachen und Nelas knallgrüne Lockenwickler lange genug bewundert hatte, ging ich gegenüber zu einem kleinen Art Baggersee des Backsteinherstellers AllBricks, der von Kindern zum Schwimmen und Spielen genutzt wird. (siehe Pfeil)


Ich setzte mich in einiger Entfernung zum dreckig-braunen Wasser ein paar Meter neben einer 7-köpfige Gruppe von zumeist 11-jährigen Jungs an den Rand des Tümpels und zählte 44 Kinder und Jugendliche. Alles Jungs.  (Das nachfolgende Foto habe ich bewusst erst nach Sonnenuntergang gemacht, nachdem die Kinder fast alle weg waren). Der schwarze Fleck am linken Ufer rührt von einem größerem Feuer her, an dem sie sich gewärmt haben.


Ich begrüßte die kleine Gruppe und fragte sie, "wie geht's?". Sie grüßten zurück, waren aber sehr scheu. Nach einer Weile kam einer der Jungs ein Stückchen näher. Ich habe ihn angelächelt und irgendwie wurde das Eis nach und nach gebrochen. Sie wurden kecker und haben mich und meine Haare angefasst, das sehr weich im Vergleich zu ihrem afrikanischen ist. Nach dem Motto: "Beißt der? Darf ich ihn auch mal streicheln?"

Ich kenne mich abgesehen von dem "Wissen" aus Film und Fernsehen nicht mit Straßenkindern aus. Aber mein Eindruck ist, dass das welche sind. Straßenkinder, die nachts ein Dach über dem Kopf haben, aber sonst Straßenkinder. Ohne viel Anleitung fürs Leben. Sehr rauhe Gesellen in Gestalt von 11-jährigen. Ellenbogenchecks haben sie schon drauf. Ein Junge, gebürtig aus Zimbabwe und daher dunkelhäutiger, als die Xhosas, wurde als imfene (Pavian) geneckt und ich habe gesehen, welches Aggressionspotenzial ihn ihm (und anderen) steckt. Man darf sich nicht von der Jugend der Jungs täuschen lassen. Die haben auch im negativen Sinne Potenzial. Allemal in der Gruppe.

Nach einiger Zeit fingen sie dann an, sich mir gegenüber zu rühmen bzw. sich gegenseitig zu beschuldigen. "Der da geht nicht zur Schule". "Der da, hat die Reebok-Schuhe, die er anhat, gestohlen". "Der ist ein Schläger". "Der ist ein Vergewaltiger", "Der hat Geld gestohlen" "Der, der, der ...".
Sie zeigten ja immer mit dem Zeigefinger auf einen anderen "Der hat ... dies - der hat das ...".

In dem Zusammenhang habe ihnen die Sache mit den 3 Fingern, die beim Deuten auf einen zurück zeigen, erklärt. Das haben sie lange nicht verstanden. Weniger wegen meines Kauderwelsch, glaube ich, sondern tatsächlich verstandesmäßig. Irgendwann aber doch. Dann haben sie versucht, die Kumpels zu beschuldigen, ohne sich selber anzuklagen. Sie haben es mit allerlei komischen Hand- und Fingerstellungen versucht, aber es ist ihnen nicht gelungen. Geht ja anatomisch gar nicht. Das haben sie schließlich gemerkt. :-)

Dann ging die Gruppe weg und einige Zeit später geschah exakt das Gleiche mit einer neuen  Gruppe etwa gleicher Stärke und gleichen Alters! Erst scheu, dann anfassen, dann das Rühmen über ihre Straftaten. Eine komplette Blaupause der vorherigen Begegnungen!

Erstaunlich war für mich, dass mich keiner nachdrücklich angebettelt hat. Genauso erstaunlich, dass keiner Deutschland kannte. Auch nicht Italien, Spanien ... Nie gehört. Nicht mal Europa! Die Kinder der 5.Klassen der Edith-Stein-Schule sind da völlig anders drauf. Welch ein unglaublicher Unterschied. Ich wurde immerhin mehrfach gebeten, auf deutsch vorzusprechen.
Manchmal habe ich sehr leise in Sprachen gebetet, das hat den Kleinen, der direkt neben mir saß, verdutzt - gesagt hat er aber nichts.

In beiden Gruppen waren ein paar, die Körperkontakt zu mir gesucht haben. Da sind die Kinder durchgeschimmert, die sie ja eigentlich jenseits ihrer rauhen Schale sind und im Grunde wohl auch sein wollen. Auch wenn sie es nicht zugeben würden. Einer der Jungs (11), hat mit einem schwarzen und einem blauen Kuli kunstvoll in Graffiti-Schrift den Spitznamen seines Kumpels "Legend Butha" auf dessen T-Shirt gezeichnet. Ich habe ihn dafür gelobt und er hat sich darüber gefreut. Nichts gesagt, aber gelächelt. Es könnte sein, dass keiner für die Jungs zuhause oder sonstwo ein lobendes Wort übrig hat, außer die Kumpels, wenn sie eine "tolle Straftat" begehen. Ich war kurz davor, den Buben etwas von dem, der Kinder über alles liebt, zu erzählen, aber die Zeit war noch nicht reif.

In meinen ca. 2 Stunden, die ich da saß, gab es nur eine potenziell ungute Situation. Plötzlich, aus heiterem Himmel, große Aufregung. Alles rennt los und versucht sich in Sicherheit zu bringen. Genau so, wie wenn ein Löwe in eine Antilopenherde einbricht. Tohuwabohu.


Ich bin ruhig (aber doch leicht aufgeregt) sitzen geblieben. Plötzlich bin ich allein. Alles um mich herum (ca. 20-30 Jungs) hat Reißaus genommen und nun sitze ich (scheinbar) entspannt in meinen Badeschlappen da und vor mir steht urplötzlich vom Hang herraufgerannt, der Löwe. In Gestalt eines etwa 20 Jahre alten Mannes. Alkohol- oder Drogenkonsum erkennbar. Und nun? Spannung. Was jetzt?

Ich habe ihm zugenickt. Er hat mich zuerst nach etwas Rauchbarem und dann nach Geld gefragt. Beides hatte ich nicht und entsprechend fiel meine Antwort aus. Das erste, was ich hier im Township lernte war Andina mali, "ich habe kein Geld". Ich habe ihm meine Hand gereicht und wir haben uns freundlich begrüßt und mit Namen vorgestellt. Die ganze Begegnung dauerte weniger, als 1 Minute. Dann zog der Löwe weiter und es kehrte wieder Ruhe am Wasserloch der Antilopen ein.

Die Jungens habe ich dann befragt und sie sagten mir, dass sie ihn kennen. Dass er sie schlägt und sie beraubt. Der Mann war noch einige Zeit Gesprächsthema und die Buben haben wechselseitig Fausthiebe imitiert, um sein Vorgehen zu untermalen.

Da kam mir eine Situation vor ein paar Tagen in den Sinn, die sich auf der Straße vor  meiner Haustür abspielte, wo gerade jetzt Mädchen den Viehtrieb beobachten.


Vor ein paar Tagen also, lief eine Gruppe Kinder auf dieser Straße vor meinem Zimmer und ein geschätzt 16 Jahre alter Junge hat die Kinder angeschrien, stehen zu bleiben. Das taten sie auch und er schrie sie immerzu an: mali!, mali!, mali! Er wollte ihr Geld. Sie haben ihre Hosentaschen einzeln umgestülpt und vorgezeigt. Damals konnte ich die Situation nicht einschätzen, zumal keiner der Nachbarn, gezuckt hat. Jetzt weiß ich Bescheid.

Eine rauhe Ecke ist das hier.

Ich kann mir vorstellen, dass einiges, was wir manchmal mit Schrecken in den Zeitungen lesen, hier bittere Realität ist.

Wenn ich die ganze Situation hier so betrachte, in die ich angefangen habe, hinein zu schnuppern, fühle ich mich an mein Studium erinnert. Nach einer schweren Klausur haben wir immer über die Aufgabenstellung gefeixt.  
"Aufgabe: Retten Sie die Welt. Zeit: 240 Minuten. Hilfsmittel: keine!"  - "Die Zeit läuft!". 

Sie läuft tatsächlich. Keineswegs nur in Thembalethu, George, Südafrika. Tick. Tack.

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Themenwechsel - uYesu: Mich hat es vor Jahren schon mal sehr ergriffen, als ein messianischer Jude im CZD von Yeshua Ha'Mashiach, Jesus, dem Messias, dem Christus, gesprochen hat. Allein der blanke Name! So ähnlich geht es mir hier jetzt mit uYesu. Der Name wird in isiXhosa auf ganz tolle Weise betont! Welch ein Klang! Kann ich natürlich nicht hinschreiben. :-)
Es gibt alte Kirchenlieder, die das hervorheben, z.B. Jesus the Name High over All; Jesus, What a Beautiful Name; Jesus, höchster Name oder Jesu Name nie verklinget. Das hat seinen Grund. Auch Kirchenlieder aus früheren Jahrhunderten sind wahr und keineswegs abgedroschen. Wir verstehen sie nur manchmal nicht in der Tiefe.

Jesu Name nie verklinget, ewiglich bleibt er bestehn.
Jesu Name Ruhe bringet, Fried' und Freude,wunderschön.
Allen Menschen gilt sein Segen, Allen, die in Sündennot.
Er ruft sie von bösen Wegen, führt die Seele hin zu Gott.
Jesu Name ist mir teuer, heiß ist mir das Herz entbrannt.
Dank sei dir, o mein Befreier, denn durch dich ich Rettung fand.

Jesu Name soll erstrahlen weithin über Land und Meer.
Trost und Hoffnung gibt er Allen, rühmt ihn laut zu seiner Ehr'!
Vor dem Namen Jesu schwindet Alles, was den Herrn betrübt.
Sünd' und Unrecht überwindet, wer den Namen Jesu liebt.
Jesu Name ist mir teuer, heiß ist mir das Herz entbrannt.
Dank sei dir, o mein Befreier, denn durch dich ich Rettung fand.

Jesu Name leuchtet helle, und sein Glanz vergehet nicht.
Jesu Name bringt der Seele selbst in tiefster Nacht ein Licht.
Mag auch einst die Welt vergehen, mag vergeh'n der Sonne Schein:
Jesu Nam' wird weiterklingen, unvergänglich wird er sein.
Jesu Name ist mir teuer, heiß ist mir das Herz entbrannt.
Dank sei dir, o mein Befreier, denn durch dich ich Rettung fand.  


(Die Melodie zu diesem Lied stammt übrigens aus Südafrika) 

Und eine große Menge folgte ihm (Jesus), und er heilte sie alle und gebot ihnen, dass sie ihn nicht offenbar machten, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht «Siehe, das ist mein Knecht, den ich erwählt habe, und mein Geliebter,  an dem meine Seele Wohlgefallen hat; ich will meinen Geist auf ihn legen, und er soll den Heiden das Recht verkündigen. Er wird nicht streiten noch schreien, und man wird seine Stimme nicht hören auf den Gassen; das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Recht hinausführt zum Sieg;  und die Heiden werden auf seinen Namen hoffen(Mt 20, 15-21)
 

Jedenfalls - ich kann auch das nicht genau beschreiben, aber ich weiß dass uYesu bei mir ist. Meine Unruhe ist nie so groß, wie sie eigentlich nach Lage der Dinge sein müsste.

Mit dieser Gewissheit bin ich ich als selbst ernannter Vorsitzender des örtlichen Badeschlappenclubs, solange es noch hell war, in der entfernteren Nachbarschaft unterwegs gewesen.

Am Morgen habe ich zunächst einen vergitterten Containershop aufgesucht und habe eine überteuerte Milch gekauft, die ich gar nicht brauchte. Aber ich wollte halt ein Ziel haben und gesehen werden.

Nachdem ich mit den street-kids zusammen war, bin ich nochmal los gezogen und habe den Mann gesucht, den ich vor einigen Tagen mit einer Motorsense habe Rasen mähen sehen. Er soll hier auf dem Grundstück ebenfalls mal zu Werke gehen. Kostet 3 Euro, wie ich bereits wusste. Also ging ich mit freundlichem Gesicht und folgendem aktiven Wortschatz in verschiedene "Hinterhöfe". Guten Tag - wie geht`s - Entschuldigung - Ich suche - Herr - Haus - Gras - Danke - Auf Wiedersehen. Was fehlte, musste Zeichensprache abdecken. Was soll ich sagen. Es ging ja gar nicht ums Gras, genauso wenig, wie um die Milch. Aber ich habe einige Leute getroffen und einige Hände geschüttelt. Das zählt.

Ach ja, und am Dienstag Nachmittag wird das Gras geschnitten.

(uYesu - enkosi kakhulu!)


Nachtrag zu uYesu:
Ich verstehe ja sehr vieles im Leben nicht. Bestenfalls habe ich eine Ahnung. Ich verstehe z.B. nicht, dass ich hier um 22.30 Uhr Ortszeit in einem kargen Zimmer  - umgeben von grölenden Trunkenbolden - allein im Township mit einer Dose Bier, zwei zusammengeklappten Toastbroten, ziemlichem Rückenweh sitze und genial zufrieden bin. Es muss damit zusammenhängen, dass wenn man im Flow mit Ihm unterwegs ist und gemeinsam etwas erlebt und macht. Nicht aus sich selbst heraus, sondern aus Ihm heraus.

Manches, das mit Gott zusammenhängt, bleibt mir dennoch ein Rätsel. Das bestätigte mir wenigstens gerade das folgende Lied übersetzt: "Ich weiß, ich wurde verändert". Ab Minute 3  fragt die Sängerin "Moment mal, wie kann es sein, dass eine braune Kuh grünes Gras frisst und weiße Milch gibt? Aber das ist noch gar nichts: Gottes Chemielabor der Erlösung nahm meine schwarze Seele, tauchte sie in rotes Blut und ich wurde weiß wie Schnee". Genial!









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