Church building / Kirchengebäude in Thembalethu

... God has chosen the weak things of the world to confound the things which are mighty; And base things of the world, and things which are despised, has God chosen ... (1Cor 1:27.28) p>p>p>

Freitag, 5. März 2010

Neues von der Müllkippe - Wer ist mein Bruder? - Wer ist im Himmel?

Beim Tanken habe ich wieder ein paar von den Jungs von neulich getroffen. Als sie mich erkannten, wurde ich von einem sehr ernsthaften jungen Mann gefragt, warum ich das mache, was ich mache. Ich habe es ihm ganz unaufdringlich (glaub' ich) erzählt. Relativ knapp. War keine Predigt, aber einfach eine sehr angenehme Begegnung.

Dann besuchte ich die weiße Familie in Not (nur die Dame des Hauses -die HIV-infizierte- war zuhaus'). Ich habe, weil ich das weiß, weitergegeben, dass ihre Geschichte Menschen berührt und auch, dass ich sie in meinem virtuellen Tagebuch veröffentlicht habe. Darüber hat sie sich gefreut.

Weiterhin war es heute mein Begehren, im Gefängnis von George Einlass zu finden.
Allerdings bin ich zunächst gescheitert. Die junge Justiz- fachangestellte an der "Rezeption" konnte mit mir nichts anfangen. Schließlich kenne ich keinen dort und gehöre auch keiner namhaften Organisation oder Kirchengemeinde an.
Der Anstaltsleiter, den ich mehrfach anzurufen versuchte, war auch nicht im Büro und so war erstmal der Hochsicherheits-Starkstromzaun für heute (!) unüberwindbar.




Also frohgemut aufgemacht zu den Menschen auf der Müllkippe.

Erstaunlich, wie schnell man von den Leuten erkannt und begrüßt wird.
Allerdings, einer der Xhosa-Sicherheitsleute am Eingangstor wollte nicht glauben, dass ich im Wagen gar keinen Abfall habe. Als nächstes wollte er bei geöffnetem Kofferraum nicht glauben, dass das Brot in meiner Kühlbox kein Abfallbrot aus einer Kneipe oder so ist. Er bestand auf einer Kontrolle à la DDR. Jetzt weiß er es. Hat auch eins bekommen :-)

Im Innenbereich angekommen, ging ich zielstrebig zu meinem Freund in spe, den ich seit Tagen fürs Gebet auf dem Herzen hatte. Wie am Wochenende, fand ich ihn auch heute nicht. Nachdem ich ein paar Brote, Äpfel und Tomaten anderweitig abgegeben hatte, und mich mit ein paar Leuten über ihr Befinden unterhielt, fragte ich nach dem alten Mann. Freundlicherweise bemühten sich einige junge Männer, ihn für mich zu finden. Sehr schön.

Dann kam er angehinkt. Alt, schmutzig, geruchsintensiv und: lächelnd. Wir haben uns die Hand gegeben und uns angestrahlt. Dann gingen wir zu seinem Platz. Nachdem ich ihm einiges Essen gab, zeigte er mir sofort ein zerfleddertes Buch ohne Einband.
Regen, Dreck und Sonne hinterließen Spuren am Buch, aber eigentlich war es für die gelinde gesagt ungünstigen Aufbewahrungsbedingungen noch ganz gut erhalten. Er zeigte mir also das Buch und es war die"Bybel" in afrikaanser Sprache, seiner Muttersprache.


Ich schlug vor, dass er mir etwas daraus vorliest. Wir einigten uns auf Joh 3,16 :-) . Dann bat ich ihn, mir zu erklären, was da steht. Zugegebenermaßen habe ich vieles von dem was er sagte, nicht verstanden. Aber er sprach mit einer gewissen Leidenschaft und auch nicht nur kurz über Gott, den Vater und den Sohn (Soviel verstand ich immerhin).
Dann (muss hier kurz schlucken), deutete er mit dem Finger auf mich und dann auf sich und sagte: (nochmal Schreibpause) "Jesus ist gestorben für dich und für mich!". Ohne Worte!

Wir (vornehmlich ich) redeten ein schlimmes Kauderwelsch und so fragte ich ihn, was beten auf afrikaans heißt. Auf isiXhosa heißt es masebulele und auf englisch natürlich to pray. Aber wir kamen nicht recht zusammen. Dann fiel mir die "Definition" vom seligen Pastor Wilhelm Busch ein: "Gebet ist das Gespräch des Herzens mit Gott". Wenigstens das konnte ich auf afrikaans hinkriegen.

Und dann? Der Mann, der kurz zuvor über sein schlimm schmerzendes Knie klagte und nur hinken konnte, geht in der unwirklichen Umgebung des Drecks der Müllkippe neben mir auf die Knie, legt die Hände zusammen, schließt die Augen und betet laut: "Ons Vader, wat in die hemel is, laat u Naam geheilg word; laat u koninkryk kom ... ...", das Vaterunser. Beendet mit : "im Namen Jesu". Unglaublich. Mir fehlen die Worte. Wenn das in dem Moment kein Gespräch des Herzens mit Gott war!?
Ich habe dann das Vaterunser auf einer Obstkiste neben ihm sitzend auf deutsch gebetet. Er sagte, dass er einige Worte verstehen konnte. Das war Einheit. Im Nachhinein schade, dass ich mich nicht zu ihm gekniet habe.
(Das war deshalb vielleicht auch so intensiv für mich, weil ich gerade gestern Abend wieder die bewegende Geschichte des damaligen Erz-Atheisten Ian McCormick aus Neuseeland auf dem Netbook angesehen habe. Gott war ihm kurz vor McCormicks's Ableben im Krankenwagen begegnet und ist mit ihm quasi das Vaterunser Wort-für-Wort durchgegangen. Ian McCormick hatte dann, den Tod vor Augen, vor Gott kapituliert.)

Irgendwann zwischendurch hatte ich mich vorgestellt und meinen Freund nach seinem Namen gefragt. Er hat keine Zähne, spricht vermutlich Dialekt,  ich bin sprachlich limitiert und höre schlecht. Er sagte, dass er Jahrgang 1948 ist, aber seinen Vornamen habe ich nicht verstanden und auch noch nie im Leben einen ähnlich klingenden gehört. Dann hat er mir seinen Namen in seinem Blätterbüschel gezeigt (oben links):


Nun redeten wir noch ein wenig und ich fragte ihn, ob ich für ihn beten darf. Ich hab' ihm die Hände aufgelegt (eigentlich ihn mehr umarmt) hab nunmehr auf englisch Jesus für ihn gedankt und den Mann gesegnet. Just während des "Segnungsteils", kamen zwei andere Männer hinzu, um sich ebenfalls Essen abzuholen. (Ich bete natürlich des Umfeldes wegen mit offenen Augen - Immer uffbasse!). Die beiden warteten sehr anständig, geradezu andächtig, bis ich fertig war und sie dann angesprochen habe.

Samuel hat mich den beiden zunächst in einem Redeschwall vorgestellt  - die zerfledderte Bibel in der Hand -  und hat dann den beiden Jesus gepredigt. Ehrlich. So war's! Ständig kam der Name Jesus bei ihm vor. Es war bestimmt eine 1a Verkündigung. Die beiden haben auch nicht abgewunken oder gelacht.


Wir beide hatten, glaube ich, einen coolen Gottesdienst. Und außerdem waren ja noch zwei "Kirchen-distanzierte" teilweise zu Gast. Irgendwie sehr, sehr stark.

Schließlich ging er noch ein Stückchen mit mir Richtung Auto und sagte zum Abschied zu mir: (noch mal Schreibpause) Jesus IS with you, brother!  Mir (was selten genug vorkommt), fehlen die Worte.
Wer ist dieser Samuel? Spontan kam mir Hebr 13,2 in den Sinn.


Im Nachhinein kamen mir noch einige Gedanken:

Erster und überragender Gedanke: Jesus ist klasse! "Wer ihn nicht kennt, hat die Welt verpennt", hätte ich mit 14 gesagt. Oder theologisch mit 1.Joh 5,1 ausgedrückt: "Wer den Sohn hat, hat das Leben, wer den Sohn nicht hat, hat das Leben nicht." (Kommt aufs Gleiche raus :-) )

Zweiter Gedanke: Fühle mich gerade wie eine One-Man-Band unter der Leitung von Herbert Karajan. Es wäre ganz schön, nicht allein, sondern einfach mal mit einem Paulus oder Timotheus mitzuschlendern. Stelle ich mir gut vor. Mal dastehen und zuhören, was der andere so sagt und macht und denkt. Na, die Zeit wird es zeigen.

Dritter Gedanke: Ich erlebe immer aufs Neue, dass die Bibel wahr ist. Alles was ich lese und was "nachprüfbar" bzw. "erlebbar" ist, entdecke ich an anderen Gläubigen und mir selbst mir nach und nach. Aktuell z.B. ansatzweise, wie sich der gute alte Jerry vor 2.600 Jahren gefühlt hat: "Da sagte ich mir: »Ich will Ihn nicht mehr erwähnen und nicht mehr in seinem Namen reden!« Doch da brannte es in meinem Herzen, als wäre ein Feuer in meinen Gebeinen eingeschlossen, und ich wurde müde, es auszuhalten; ja, ich kann es nicht." (Jer 20.9).
Und wie las ich mal in einem Buch?: I don't have a smalltalk. Das trifft auch auf mich zu. Bin allemal ungeeignet, mich über die Farbkollektionen der anstehenden Frühjahrsmode 2010 auszutauschen.

Vierter Gedanke: Mein Freund D. aus DA sagte unlängst, als er bei mir zu Besuch war und ich eine unpassende Bemerkung von mir gab, dass mir meine 10 Bibeln im Regal offensichtlich gar nichts nützen. Das stimmt absolut; er hat recht. Irgendwie bin ich Mensch und kriege nicht alles gebacken, wie ich mir wünsche, dass es sein sollte.
Und ich dachte mir, dass dieses eine versiffte Blätterbündel ohne Einband von Samuel auf der Müllkippe ebenfalls mehr wert ist, als viele meiner Goldschnitt-/Lederausgaben und Kommentare, die bei mir im Präsentationsmodus im Regal stehen.

Fünfter Gedanke: Und jetzt? Wie weiter mit Samuel? Klar, dass ich ihn wieder besuchen werde und wir werden gewiss erneut einen Zweiergottesdienst feiern, aber ich meine und dann? Ich kenne einige Gemeinden in George und Umgebung, aber ich wüsste nicht, wohin ich Samuel mit hinnehmen könnte. Wo ist die Gemeinschaft, die ihn mit den Worten Jesu einlädt, "KOMM einfach wie du bist?", "Sei einfach". Wo könnte er sich wohlfühlen und sich angenommen vorkommen und wer würde ihn von Herzen willkommen heißen? Ehrlich gesagt glaube ich, dass er und die institutionelle Gemeinde nicht gut zusammen passen.

Sechster Gedanke (unangenehm): was ist anknüpfend an die vorherigen Überlegungen, in denen ich mit dem Finger auf andere zeigen könnte, mit MIR? Wozu bin ICH bereit? Da kommen mir die Tränen, weil ich erstmal keine gute, richtige, praktikable Antwort weiß. Aber die Hand ist an den Pflug gelegt.

Siebter und letzter Gedanke: Wer wird wohl alles Himmel sein? Einige, die man allseits erwartet, werden (leider, leider) fehlen. (Mt 7,21) Bekanntlich (?) ist ja weder das treue Zahlen von Kirchensteuer, der ebenso treue Besuch von Gottesdiensten und das ernstliche Bemühen, ein redlicheres Leben als andere zu führen, genauso wenig vor dem alleinigen Kenner aller Herzen von ewigem Erfolg gekrönt, wie der Umstand, dass einem sämtliche Sakramente gespendet wurden.
Andererseits wird der Himmel bevölkert sein von Leuten, die vielleicht kaum ein Mensch je auf der Rechnung hatte. (z.B. Lk 16,19f; Lk 23,43). Nämlich jene, welche irgendwann in ihren lächerlichen paar Erdenjährchen bereit waren, ihren Stolz zu überwinden und das Geschenk des ewigen Lebens in Jesus Christus anzunehmen. Die mal bereit waren, ehrlich vor sich und Gott zu sein und die vom Geist Gottes ein neues Leben geschenkt bekommen haben:

Johannesevangelium, Kapitel 3, Verse 3 - 7:
Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen! Nikodemus (Anm.: ein religiöser Führer -Top 70 in Israel - seiner Zeit) spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht zum zweiten Mal in den Schoß seiner Mutter eingehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen! Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden!

Wenn ich ein paar Euro zu verwetten hätte, Samuel wäre mein persönlicher Geheimtipp :-)
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen